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Voller Energie – das Landleben zwischen Spezialisierung, Automatisation und Energiewende

Am 03.07.2019 besuchte der Erdkunde Grundkurs der Q1 (inzwischen Q2) zusammen mit Herrn Stucke sowohl den Hühnermastbetrieb von Herrn Wolf, als auch die Biogasanlage Nordhagen, betrieben von Herrn Hüllmann, in Delbrück.

Zunächst wurden wir in Nordhagen freundlich von Herrn Hubertus Hüllmann empfangen. Die Hofstelle Hüllmann im Delbrücker Stadtteil Nordhagen besteht schon seit mehreren Jahrhunderten. Zunächst als traditioneller Mischbetrieb geführt, wurde 1985 ein größerer Milchkuhstall unter der elterlichen Leitung erbaut. Später, noch vor der Übernahme des Betriebes durch Sohn und heutigen Eigentümer, Hubertus Hüllmann, spezialisierte man sich auf die Schweinemast. Diese wurde 2018 aufgegeben. Am Standort in Nordhagen werden die Schweinestallungen nun von einem Pächter bewirtschaftet. Zwischen 2011 und 2015 kam das Standbein Energieproduktion auf Basis von Biogas hinzu, das heute, neben diversen Lohnunternehmungen und der Futter- und Brotgetreideproduktion, die Haupteinnahmequelle des Familienbetriebs darstellt.

Zum ersten Exkursionsstandort ging es dann gemeinsam mit Herrn Hüllmann zum nur wenige Kilometer entfernten Betrieb von Herrn Wolf. Christoph Wolf, 29, gewährte uns dort einen Einblick in die Aufzucht der rund 29.500 Kikok Hühner (14/m²) , die gleichzeitig in seinem Stall gemästet werden. Bei konventioneller Mast wären hier bis zu 42000 Tiere (20/m²) eingestallt. Er klärte uns dazu noch über die Besonderheiten dieser und seiner weiteren Anlagen auf. Die Küken, welche bei ihm auf einer Grundfläche von 2100m² nach den Standards der Handelsmarke „Kikok“ aufgezogen werden und aus Kloppenburg geliefert werden noch bevor sie geschlüpft sind, wachsen langsamer als konventionelle Hühner, da sie lediglich eine Tageszunahme von 50-53g haben. Das führt zu einem gegenüber der konventionellen Mast zu einem ausgewogenerem Wachstum von Fleisch und Skelett der Tiere.

Aus dem Besucherraum lassen sich sowohl die Tiere, welche später danach bezahlt werden, wie gut die Füße sind, als auch der Boden, welcher mit Strohpellets ausgelegt ist und das ganze Versorgungsleitungssystem des Stalles sehen.

Moderner Geflügelstall mit 14 „Kikok“ Tieren/m²

Gefüttert werden die Tiere mit Maisfutter, welches zu 50% aus Mais besteht und ansonsten aus Soja, Weizen und anderen Bestandteilen. Die Futterschalen verfügen außerdem über einen Sensor, sodass gewährleistet ist, dass die Kikok Hühner jederzeit genug Futter zur Verfügung haben. Außerdem steht den Hühnern pro Quadratmeter ein Beschäftigungszylinder zur Verfügung, welcher alle zwei Tage mit Stroh wieder aufgefüllt wird. Für ausreichendes Trinken ist durch eine Wasserleitung gesorgt, welche aus Hygiene und Gesundheitsgründen angepickt werden muss, damit Wasser aus ihr kommt. Pro Tier wird hierbei mit einem Verbrauch von 8l Wasser und 5kg Futter für die Zeit gerechnet, bis sie zum nahegelegenen Schlachthof, welcher ein Vertragspartner des Betriebes ist, abtransportiert werden.

Automatisierte Fütterung

„2% der Hühner sterben auf natürliche Weise schon bevor sie abtransportiert werden. Das ist aber ein natürlicher Wert “, erklärte uns Herr Wolf. Großen Wert legt Herr Wolf zudem auf die Gesundheit und Ordnung in seinem Stall; seine Aufzucht ist und muss nach den „Kikok“-Standards auch zu 100% antibiotikafrei sein. Wenn der Tierarzt, welcher einmal pro Durchlauf die Tiere untersucht, feststellt, dass die Kikok Hühner behandelt werden müssen, so werden sie nur noch als konventionelle verkauft. Um gewährleisten zu können, dass sich Infektionen oder ähnliches innerhalb des Stalles nicht verbreiten, betritt Christoph Wolf diesen nur in OP-Kleidung und geht dabei „von den Jüngsten zu den Älteren und von den Gesunden zu den Kranken“. Hinzuzufügen ist weiterhin, dass während des inzwischen 5 jährigen Bestehen des Stalles glücklicherweise noch nie Antibiotika eingesetzt werden mussten.

Für eine angenehme Klimatisierung des Stalles sorgt eine Zuluft-Anlage, welche durch die Außentemperatur gesteuert wird. Sie sorgt dafür, dass der Stall an heißen Tagen durch Wasserdampf abgekühlt wird, wodurch eine Abkühlung von bis zu 8°C hergestellt werden kann. Die durchschnittliche Raumtemperatur beträgt im Sommer 34°C. Damit es nicht zu kalt wird, ist der gesamte Stallboden mit einer Fußbodenheizung ausgestattet, sodass auch im Winter eine Temperatur von 29°C nie unterschritten wird. Um sicher zu stellen, dass die Anlage nicht ausfällt, verfügt sie über einen Alarm, wie auch der Rest des Stalles.

Der Mist des Stalles wird an Herrn Hüllmann geliefert, der nicht nur eine Biogasanlage und einen Bauernhof in der Nachbarschaft betreibt, sondern uns später auch einen Einblick in diese gewähren sollte.

Nach 45 Tagen, sowie erneut nach 50 Tagen werden die Tiere, mit einem Schlachtgewicht von 2,6kg, in die 3km weit entfernte Schlachterei Borgmeier transportiert. Das Verladen in den Lkw nimmt 3-4 Stunden in Anspruch, da immer 10-20 Tiere in eine Art Schublade gebracht werden erklärte uns Herr Wolf. Pro Stall werden insgesamt 5 Lkw benötigt. Sind die Tiere in der Schlachterei angekommen, so werden sie auf einem Förderband mit Gas betäubt, bevor sie innerhalb von 5 Schritten einschlafen. Später wird das Filet für 8€/kg an der Ladentheke verkauft.

Für die Zukunft möchte Christoph Wolf das Ziel verfolgen weiterhin und möglichst überall Kikok zu züchten, da er persönliche diese Weise am besten findet. Außerdem würde er gerne an diesem Standort ein BHKW für das Heizen des Stalles aufstellen lassen.

Nach dem Besuch der Hähnchenaufzucht ging es für uns zurück zu Herrn Hüllmann, welcher uns daraufhin ausführlich seinen Hof mit der Biogasanlage zur Strom- und Wärmeerzeugung zeigte und erneut einige Fragen klärte.

Herr Hüllmann wuchs auf dem Hof seiner Eltern auf, welche nach der ersten Spezialisierung und dem Stallbau in den 1980er Jahren mit 38 Milchkühen ihr Geld verdienten. Da er viel Zeit mit seinen Eltern verbrachte und immer mitlief, war ihm bereits im Alter von 5 Jahren klar, dass er ebenfalls Landwirt werden möchte.

1994 starteten seine Eltern dann die Schweinemast mit 800 Mastplätzen. Zu dem Zeitpunkt war Herr Hüllmann bereits 17 Jahre alt und absolvierte eine zweijährige Ausbildung zum Landwirt, wonach er in Soest Agrarwissenschaft studierte. Zwischendurch wurde der Gebäudeteile des Nachbarhofs ebenfalls gepachtet, um eine Ferkelhaltung von ca. 600 Tieren möglich zu machen.

Mit dem Tod seines Vaters und dem Ende des Studiums im Jahr 2002 entschloss er sich dann, die Milchvieh Haltung einzustellen. Damals bewirtschaftete er 80 Hektar Land, heiratete. Herr Hüllmann erzählte uns auch, dass er sich sehr für erneuerbare Energien interessiert und auch, dass die Situation zu dem Zeitpunkt sehr angespannt war, da der Betrieb gerade so über die Runden gekommen ist und es für die nächste Generation vermutlich nicht mehr gereicht hätte. Zunächst installierte er so auf den Stallungen des Betriebs Fotovoltaikanlagen.

Im Jahr 2004 überlegte er dann zusammen mit einem Nachbarn einen Schweinestall zu pachten und außerdem weitere Fotovoltaikmodule zu kaufen. Mit der Zeit wurde jedoch Biogas immer mehr zum Thema, sodass er sich mehrere Anlagen anschaute und beschloss, dass dieses Konzept gut zu seinem Betrieb passe. Herr Hüllmann startete in 2005 mit einer Anlage von 300KW elektrische Leistung, erhöhte aber schon bald auf 600KW.

Blick auf die Zipfelmützen der Gärbehälter der „Biogas Nordhagen“

Zu der Zeit, als es darum ging, an das Netz angeschlossen zu werden und das Genehmigungsverfahren durch zu kriegen, herrschte viel Aufregung. Zum einen war da die „Vermaisung“ der Landschaft ein Thema und es gab in der regionalen Presse Einiges an Gegenwind. Zum anderen war klar, dass man bis Ende des entsprechenden Jahres am Netz sein musste, um bestimmte, im EEG (Erneuerbare Energien Gesetz) Gratifikationen für den Stromverkauf zu bekommen. Mit ein paar Kniffen und Tagen ohne Schlaf gelang es schließlich und der Betrieb konnte ans Netz gehen. „es war damals schon recht schwierig, alle baurechtlichen und zulassungsrechtlichen Bedingungen für den Betrieb einer Biogasanlage zu erfüllen. Heute ist es jedoch noch viel anspruchsvoller und umständlicher geworden, einen Bauauftrag dieser Art durchzukriegen“, so Herr Hüllmann rückblickend.

Herr Hüllmann vor dem Herz einer Biogasanlage, dem BHKW Motor. Er verbrennt Biogas und wandelt die darin enthaltene Energie in Elektrizität und Wärme um.

Nachdem 2017 der bislang letzte Gärbehälter gebaut wurde, welchen sich unser Kurs näher anschauen durfte, ging 2018 ein großer ackerbaulicher Betrieb Pleite, da die Ernte nicht kostendeckend ausgefallen war. Diesen kaufte die Familie, zusammen mit den angepachteten Flächen. Dies war ein wichtiger Schritt um zum einen die Versorgung mit landwirtschaftlichen Rohstoffen für die Anlage sicher zu stellen, als auch dafür, ausreichend Ausbringungsflächen für die Gärsubstratreste, die einen sehr guten Dünger darstellen, zu haben.

Herr Hüllmann vor der automatischen „Fütterung“ (Befüllungsanlage der Gärbehälter). So gelangen die NaWaRos (nachwachsende Rohstoffe) in die Gärung.

Das EEG sichert die Einkünfte für genau 20 Jahre ab Zulassung einer Anlage. Danach ist kreatives, nachhaltiges und wirtschaftlich sinnvolles Unternehmertum gefordert. Daher denkt Herr Hüllmann schon jetzt an die Zeit nach der EEG-Förderung nach und beschäftigt sich unter anderem mit der Erzeugung von Wasserstoff aus elektrischer Energie als Treibstoff, sowie einer Aufbereitungsmaschine für Biogas, um es als Erdgasäquivalent in das öffentliche Gasnetz einspeisen zu können. Auch die Windkraft sei eine Überlegung wert, so Herr Hüllmann.

Wir bedanken uns recht herzlichen bei Herrn Wolf und Herrn Hüllmann, dass sie uns einen Einblick in Ihre Unternehmen gewährt haben und offene Fragen beantworteten!

  • Text: Charleen Brinkmann
  • Fotos: Magnus Platena

Beteiligte Personen